Eins steht fest: Wenn es um Kaffeeanbau geht, ist Kolumbien ganz weit vorn. Heute schauen wir uns genauer an, wie Kaffee in dem Top-Anbauland wächst und begeben uns in die Sierra Nevada de Santa Marta – kurz „Sierra Nevada“ genannt, allerdings nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen und deutlich niedrigerem Gebirge in Spanien. Die Sierra Nevada, um die es in diesem Artikel geht, ist eine isolierte Bergkette, die im Norden Kolumbiens unabhängig von den Anden über den Wolken thront und sich quer durch das Land zieht. An manchen Stellen erreicht sie eine Höhe von 5.750 Metern und ist gleichzeitig nur etwa 34 Kilometer von der Karibikküste entfernt – das macht sie zum höchsten Küstengebirge der Welt! Genau hier, im feuchten Klima und umgeben von tropischem Regenwald, floriert der Kaffeeanbau von fantastischem Arabica, der weltweit seinesgleichen sucht.
Die Finca del Origin in Santa Marta, wo Bio-Kaffee von der Marke Soul Seed Coffee herkommt, ist eine lokale Kaffeefarm in der Sierra Nevada. Dahinter steckt Helmut aus Österreich (aufgewachsen in der Schweiz), der sich vor vielen Jahren hier mit seiner Frau Inka niedergelassen und ein beeindruckendes ökologisches Business aufgebaut hat. Dazu gehört neben der Kaffeeplantage noch das malerische Ikaro Café in Santa Marta (siehe unten), wo ebenfalls die Kaffeerösterei angebunden ist. Alles in einer Hand! Und was an Helmuts Geschichte neben dem Kaffeeanbau-Gebiet besonders ist: Für jede Packung verkauften Kaffee wird ein neuer Baum gepflanzt, um zur Wiederaufforstung des Regenwaldes beizutragen. Außerdem fließt ein Teil seiner Einnahmen an eine NGO zur Unterstützung der indigenen Bevölkerung.

In diesem Artikel nimmt uns Soul Seed Coffee Gründer Helmut mit in seine Welt: Er erzählt, warum organischer Kaffeeanbau seine Leidenschaft und die Sierra Nevada in Kolumbien dafür besonders gut geeignet ist. Außerdem berichtet Helmut, wie sein nachhaltiges Business in der Praxis aussieht.
1. Helmuts Weg zum Kaffeeanbau in Kolumbien
Hallo, ich bin Helmut, und war schon immer abenteuerlustig! Besonders Latein- und Südamerika haben es mir angetan, seit ich in Ecuador – ausgestattet mit ein wenig Spanisch aus der Schule – als Freiwilliger bei einer lokalen NGO gearbeitet habe. Seitdem trug ich die große Neugier in mir, den ganzen Kontinent kennenzulernen. So brach ich nach dem Abitur (vor etwa 10 Jahren) zu meiner ersten Weltreise auf. Von Mexiko über die Anden gelangte ich bis nach Patagonien. Auf dieser eindrucksvollen Reise durfte ich auch zum ersten Mal Kolumbien kennenlernen und von Beginn an hatte mich dort besonders die Karibikküste beeindruckt. Allerdings wusste ich damals noch nicht, dass weniger als 34km Luftlinie von Sandstrand und Meer entfernt, verborgen hinter den Wolken, die Gletscher der Sierra Nevada de Santa Marta liegen. Und unter ihnen eines der besten Kaffeeanbau-Gebiete des südamerikanischen Kontinents!

Sierra Nevada de Santa Marta: Eine neue und völlig andere Heimat
Nach der Rückkehr von der Weltreise ging ich Zuhause zunächst wieder meinen konventionellen Träumen nach: Ich studierte Anthropologie und versuchte mich in Biologie, Chemie und Philosophie. Doch ich hielt es nie länger als ein paar Monate Zuhause aus und brach immer wieder für Reisen auf. Sie führten mich viele Monate lang nach Indien, Sri Lanka, Kenia, Jordanien, Südafrika, Ägypten und schließlich wieder zurück nach Südamerika. Drei Jahre nach meinem ersten Besuch in Kolumbien war ich also wieder da und durfte diesmal den tropischen Nebelwald der Sierra Nevada de Santa Marta erst richtig kennenlernen. Und ich beschloss, mich hier niederzulassen.
Anfangs galt meine Begeisterung der Idee, in der Sierra Nevada Selbstversorger zu werden und ein Projekt zur Aufforstung des Regenwaldes zu starten. Ich war eben immer schon ein großer Träumer und Naturliebhaber: Damals wollte ich unabhängig leben und bewusst auf Konsum verzichten, um nicht weiterhin die Wirtschaftssysteme zu füttern, die Südamerika und viele andere Teile der Welt in Abhängigkeit halten.
Gerade in Kolumbien und im peruanischen Amazonas wurde ich mit der verheerenden Realität der Abholzung konfrontiert und wer nicht still zusehen möchte, den macht es vielleicht glücklicher, etwas dagegen zu tun. Durch meine Aufforstungsprojekte habe ich jedenfalls das Gefühl, der Natur etwas zurückgeben zu können.

Mein erster Wohnort in der Sierra Nevada de Santa Marta war eine alternative Community. Von dort musste ich über eine Stunde mit dem Maultier einen großen Fluss überqueren und steilen Berg hinaufreiten, nur um die wöchentlichen Einkäufe nach Hause zu bringen! Damals kannte ich mich in Kolumbien noch nicht so gut aus – und wusste in meiner Naivität nicht, dass ich mich in einem etwas gefährlicheren Teil niedergelassen hatte. Bald bekamen wir Besuche von bewaffneten Jugendlichen, die bei uns ihr Handy aufladen und Kaffee trinken wollten.
Als es irgendwann zu einem bewaffneten Kleinkrieg zwischen einer Gruppierung und dem Militär kam, mussten wir schließlich unsere erste Farm verlassen. Da war ich zugegeben kurz davor, aufzugeben und wieder Nachhause zu reisen. Aber dann fasste ich neuen Mut und erkundigte mich, in welchen Regionen es sicher zu wohnen sei – und fand schließlich unsere neue Finca (siehe unten), mit der unsere Liebe für den Kaffeeanbau begann.

Mit dem Umzug auf die neue Farm kam der Kaffeeanbau
Auf meiner neuen Finca, die zwischen 900 und 1.200 Metern oben in der Sierra Nevada de Santa Marta liegt, gab es viele neue Pflanzenarten zu erkunden, unter ihnen auch diverse alte Kaffeesorten. Daraufhin begann ich, mich mit dem Thema Kaffee näher zu beschäftigen. Ich wälzte also viele Bücher, erhielt Tipps und Tricks von diversen Biologen, Röstern und Baristas, und probierte nach dem bewährten Trial-and-Error-Prinzip einiges aus. So baute ich über die Jahre hinweg viele Varietäten von Kaffeepflanzen an und lernte, die Kaffeebohnen sorgfältig zu ernten und grünen Kaffee auf höchster Qualität aufzubereiten.
Bei meinem Weg in die Welt des Kaffees wurde ich von einer lokalen Familie unterstützt, die bereits seit mehreren Jahren auf der Farm wohnte. Der junge Familienvater Pedro, Spitzname Bordi, versteht bis heute um Welten mehr vom Kaffeeanbau als ich! Zum Glück wurde er zu meiner rechten Hand und zum Manager der Kaffeefarm. Bordi ist immer offen für Neues, besucht mit mir Top Cup of Excellence Fincas in der bekannten kolumbianischen Provinz Huila und stand mit mir schon zahlreiche Experimente durch.
Ich ertappte Bordi immer wieder dabei, wie er meinen neuen Kaffeeideen aus Büchern und dem Internet mit einem munteren Lächeln zuhörte. Als sie sich dann wenig später als eher katastrophal herausstellten, merkte ich, dass dies für ihn von Beginn an absehbar gewesen war. Nur hatte es ihm die höfliche Kultur der Bauern verbot, dem „Patron“ zu widersprechen.

Zu unserem Soul Seed Coffee Team gehört außerdem meine Frau Inka, die mir beim Kaffeeernten hilft und mit mir gemeinsam unser Ikaro Café mit der angebundenen Rösterei leitet. Unser Office Team wickelt den Export ab und dann sind da noch viele tolle Kaffee-Ernter: Das Kernteam (Mono, Vincente und Julio) ist das ganze Jahr da, während viele andere Helfer sowie Angestellte aus Venezuela nur für die Ernte zu uns kommen.
2. Kaffeeanbau in der Sierra Nevada de Santa Marta: Die Fakten
Die Sierra Nevada de Santa Marta ist wirklich ein einzigartiges Kaffeeanbaugebiet: Das liegt an der Besonderheit, dass hier fast 6.000 Meter hohe Gletscher dem Meer so naheliegen wie nirgendwo sonst, weshalb sie zum höchsten Küstengebirge der Welt zählt. Auf unserer Farm treffen deshalb die salzigen Winde der Karibik auf die Gletscherluft der Berge und erzeugen somit ein ganz eigenes Klima – und das spiegelt sich wiederum auf magische Weise im Kaffeegeschmack wieder.

So wachsen Kaffeebohnen in Kolumbiens Sierra Nevada
In der Sierra Nevada de Santa Marta wachsen die Kaffeebohnen typischerweise auf einer Höhe von 700 bis 1.800 Metern, genau dort, wo der tropische Trockenwald in den tropischen Wolkenwald („cloud forest“) übergeht. Hier findet man einen eher sauren und lehmigen Boden, der bestens geeignet für Kaffeepflanzen ist. Darum wachsen die verschiedensten Kaffeesorten, deren Bohnen einmal pro Jahr (zwischen Oktober und Januar / Februar) geerntet werden. Die Ernte erfolgt übrigens immer per Hand: Nach dem Himalaya ist die Sierra Nevada Kolumbiens das zweitsteilsten Gebirge der Welt, und mit Maschinen würde es hier einfach nicht gehen.
Auf unserer Farm wächst Arabica und die ältesten Kaffeepflanzen sind schon über 100 Jahre alt: Zum Beispiel die Sorte Typica, eine der ursprünglichsten Sorten. Sie wurde von den englischen Ingenieuren nach Kolumbien gebracht, die Anfang des 20. Jahrhunderts die Eisenbahn bis hin nach Santa Marta fertig bauten. Anschließend kauften sie sich Fincas vor Ort und pflanzten den ersten Kaffee an. Aber auch die Sorten Caturra, Castilla, Bourbon und Geisha wachsen hier sehr gut – die beiden letzteren wurden von uns kultiviert.

Charakteristika von kolumbianischen Sierra Nevada Kaffee
Kolumbien spielt im Kaffeeanbau ganz vorne mit und kolumbianischer Arabica gilt nicht umsonst als einer der besten Kaffees der Welt. Seine Qualität wird sogar staatlich kontrolliert: Vor dem Export am Hafen werden Proben entnommen, damit man ihn unter dem Label „Colombian Excelso Coffee“ verschiffen darf. Dieselben Gütekriterien legt man bei Kaffees aus der Sierra Nevada ebenfalls an – aber in der Region gibt es nur wenige gute Fincas, die etwas aus ihren Bohnen machen!
Wie schmeckt ein typischer Sierra Nevada Kaffee? Für mich nach viel Süße, genug Säure und einem super Körper. Das bestätigen die Cupping-Protokolle von Experten und bescheinigen unseren Kaffees vielfältige Aromen: Zum Beispiel schmeckt unser Soul Seed Washed Coffee blumig und nach schwarzer Kirsche, Birne, Butter und Cashewnuss!

Die Bedingungen vom Kaffeeanbau-Gebiet sind eben das eine, doch auch die Verarbeitung der Kaffeebohnen bestimmt das Geschmacksprofil. Meistens werden die Rohbohnen aus der Sierra Nevada gewaschen, weil die Ernte genau zur Regenzeit stattfindet und somit Wasser im Überfluss zur Verfügung steht. Beim Wet Processing wird die Rohbohne maschinell aus dem Fruchtfleisch (der Kaffeekirsche) herausgelöst und fermentiert eine gewisse Zeit im Wasser, bis sie anschließend gewaschen und von der Mukilage (der letzten Schleimschicht) befreit wird. Anschließend trocknen die Bohnen langsam. Mit dieser Methode werden einige der besten Kaffees der Welt gewonnen, und die erhaltenen Aromen sind besonders rein, klar und blumig.
3. Soul Seed Coffee: Kaffeeanbau mit gutem Gewissen
Soul Seed Coffee gibt es seit 2013 und dazu gehört unsere Finca mit den Pflanzen zum Kaffeeanbau, das Ikaro Café in Santa Marta sowie die angebundene Kaffeerösterei. Das alles ist uns mehr oder weniger zugeflogen: Eigentlich wollte ich in der Sierra Nevada bloß in der Natur leben und Bio-Essen anbauen. Plötzlich öffneten sich viele neue Türen und ich bin einfach durchgegangen! Vieles hat sich von selbst ergeben, dank harter Arbeit unserer Freunde und Arbeiter. Wir haben immer an unsere Sache geglaubt: Ein Business mit gutem Gewissen zu betreiben und der Motivation, den Menschen vor Ort und der Natur zu helfen.
Und auch, wenn es vielleicht kitschig klingt: Wir wollen mit Soul Seed Coffee den Samen für eine gesunde und faire Zukunft sähen – dieser Gedanke motiviert uns und trägt dazu bei, dass uns die Arbeit unglaublich viel Spaß macht. Davon kannst du dich im obigen Video selbst überzeugen!
Bio Siegel und Fair Trade: Gut gemeint, aber…
Die Attribute „bio“ und „fair“ sind für viele Kaffeetrinker heute ja ein Muss. Allerdings sind die Distanzen in der kolumbianischen Sierra Nevada weit und die Straßen so schlecht, dass Kontrollen schwierig sind. Darum macht sich kaum ein Bio oder Fairtrade Label die Mühe, die gestellten Auflagen an die vergebenen Siegel ausführlich zu prüfen: Aus Kooperativen mit 200 bis 500 Farmen werden schätzungsweise nur etwa 3 tatsächlich kontrolliert. Das führt dazu, dass viele lizensierte Fincas nach wie vor Chemie verwenden und extrem niedrige Löhne zahlen. Ein Problem, dass nicht nur den Kaffeeanbau in Kolumbien betrifft, und zur Kritik an den Siegeln beiträgt.
Deshalb sind die meisten Bauern in Kooperativen aus der Region sehr arm. Viele verkaufen ihre Fincas und hören auf, weil sie nicht vom Kaffeeanbau leben können. Manche haben das Glück, von einem Röster ausfindig gemacht zu werden und – wenn die Qualität stimmt – direkt an ihn verkaufen zu können. Aber der Großteil hat gar nicht die Muse und das Verständnis, zu 99% rote und reife Kaffeekirschen zu pflücken, sie mühevoll nach zu selektieren und den Kaffee richtig zu fermentieren. Hierfür gibt es viele Gründe, deren Erklärung den Rahmen sprengen würde. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Realität hinter den gut gemeinten Bio- und Fairtrade-Labels manchmal leider anders als beabsichtigt ist – und dass Direkthandel manchmal die bessere Alternative ist.

Von der Farm in die Tasse: Kaffee aus einer Hand
Eines war für uns von Anfang an klar: Wir wollten mit Soul Seed Coffee einiges anders machen und uns ausschließlich Specialty Coffee widmen, der wirklich bio und fair ist. Das soll schon unser Name verkörpern: „Seed“ bezieht sich auf die Kaffeebohne, die wie alles in der Natur eine Seele („Soul“) hat, und die wollen wir wertschätzen. Um im Kaffeeanbau die Dinge aber wirklich zu ändern, musst du sie selbst beeinflussen können. Darum decken wir nicht nur den Kaffeeanbau, sondern die gesamte Wertschöpfungskette von der Pflanze bis in die Tasse ab: Dank Finca und unserem Ikaro Café angebundener Kaffeerösterei sind wir Farmer, Röster und Barista.
Als Gründer arbeiten ich (Helmut) und meine Frau Inka mit Bordi, unserem lokalen Manager und erfahrenen Kaffeebauer, sowie den vielen Angestellten auf unserer Farm in der Sierra Nevada mit. So begleiten wir unsere Kaffeebohnen in allen Prozessen – vom Kaffeeanbau, Pflücken, Trocknen und Selektieren bis zum Rösten und Cuppen – und stellen sicher, dass sie höchste Ansprüche erfüllen. Falls auf einer Stufe etwas nicht stimmt sollte, können wir es selbst kritisch beurteilen und dann direkt am Ursprung anfangen, die Dinge zu verbessern. Und unser Barista und Röster können Kunden alles über die Bohnen erzählen, weil sie sie selbst mit gepflückt haben!

Alles in einer Hand zu haben bedeutet auch, dass wir selbst beeinflussen können, wie nachhaltig unser Kaffee wirklich ist. So können unsere Kunden guten Kaffee genießen und sich dabei sicher sein, dass dahinter keine menschliche Ausbeutung oder Chemie steckt – und dass sie damit sogar helfen, die tropischen Trocken- und Regenwälder wieder aufzuforsten! Denn wir stecken einen Großteil unserer Gewinne in höhere Löhne, bessere Arbeitsverhältnisse und Spenden an eine ortsansässige NGO.
Organischer Kaffeeanbau und Aufforstungsprojekte
Eins steht fest: Wer Bio-Kaffee anbauen will, muss auf Chemie verzichten. Bei Soul Seed Coffee versuchen wir, möglichst schimmelresistente Kaffeesorten anzubauen und spritzen schimmelanfällige Sorten wie Bourbon und Geisha mit selbstgebrauten Bio-Fermenten. Gegen Schädlinge verwenden wir Bio-Neem und stellen recycelte, selbstgebastelte Fallen für die Bohrkäfer auf.
Außerdem arbeiten wir ausschließlich mit biologischem Dünger. Unsere Samen kommen von führenden Cup of Excellence Farmen und Bodenproben verraten uns ganz genau, mit welchen Mikromineralien wir gerade düngen müssen. In unseren Dünger kommt beispielsweise Kaffeesatz und Essen von unserem Ikaro Café und Coffeeshop – beides wird kompostiert, um es wieder den Berg hinauf zur Farm zu bringen und den dortigen Boden zu verbessern. Außerdem tragen unsere Hühner zum Dünger bei, die wiederum Eier für unser Ikaro Café legen. Ein Kreislauf, der funktioniert!

Ebenfalls wichtig ist, dass unser Kaffee in Mischkultur angebaut wird. So bekommt er den nötigen Schatten und gleichzeitig wird die Bodenqualität verbessert. Dazu haben ein Aufforstungsprojekt, um einen gesunden Mischwald über den Kaffeepflanzen zu kultivieren. Bisher haben wir mehrere 1000 Bäume aufgeforstet und hoffen, so einen kleinen aber nachhaltigen Effekt auf das lokale Klima zu erzeugen.
Aktuell planen wir unser größtes Projekt: Gemeinsam mit einer lokalen NGO in den nächsten Jahren 100.000 native Bäume in der Sierra Nevada zu pflanzen – und falls eine Förderung dazu kommt, sogar bis zu 1 Million Bäume. Einen Teil des Vorhabens wollen wir mit unserem Kaffeeverkauf finanzieren – deshalb ist auf unseren neuen Kaffeepackungen der Slogan „Every bag – one new tree“ aufgedruckt.
Faire Entlohnung dank Direkthandel
Wann hat Kaffee eine Seele? Wir meinen: Organischer Anbau ist das eine, Gewinnung unter fairen Bedingungen das andere. Darum zahlen wir unseren Arbeitern fast das Dreifache, als man hier gewöhnlich beim Kaffeeernten verdient. Wahrscheinlich sind es die besten Löhne der Region, wenn nicht sogar in ganz Kolumbien 😉 Trotzdem geht die Rechnung, das Team an unserem Erfolgt mitwachsen zu lassen, für uns auf: Alle bekommen einen fairen Lohn für harte Arbeit, sind glücklich und können sich auf Qualität statt Quantität konzentrieren. Dazu zählen auch die Arbeiter aus dem benachbarten Venezuela, denen ihr Job bei uns hilft, ihre Familien im Heimatland zu unterstützen.

Diesen Luxus können wir uns dank fairem Direkthandel leisten: Wir verkaufen unsere Kaffeebohnen selbst weiter. Nach der Ernte treten sie erst einmal den Weg in unsere Rösterei an, die im Ikaro Café mitten im historischen Zentrum der Küstenstadt Santa Marta angesiedelt ist. Sie liegt ganz in der Nähe unserer Farm, aber trotzdem eine abenteuerliche Lehmstraße, Flussüberquerungen und 1.000 Höhenmeter weit weg. Dort werden die Kaffeebohnen geschält und unter Schwarzlicht selektiert, um mögliche Defekte zu erkennen. Anschließend werden sie probegeröstet und gecuppt.
Ein Teil der Kaffeebohnen wird anschließend für den kolumbianischen Markt geröstet, und z.B. im Ikaro Café in Santa Marta verkauft. Doch der Export zählt ebenfalls zu unserem Geschäft, für den wir zunächst grüne Samples zu Kunden nach Übersee verschicken, auf deren Grundlage sie sich für die Abnahme größerer Mengen Rohbohnen entscheiden. Zu unseren Abnehmern zählen beispielsweise Kittel Coffee in Montreal (Kanada), Röstgut in Leipzig und die Kaffeerösterei Die Rösterin in Wien. In Österreich rösten wir auch selbst und meine Familie verkauft den Kaffee dann privat an Freunde und Bekannte. Im folgenden Bild seht ihr unseren Röster und geröstete Bohnen, wie sie nach dem Farbschema der SCAA (Specialty Coffee Association of America) eingestuft werden.

Experimentieren macht auch im Kaffeeanbau Freude
Unser Ikaro Café gibt uns die Möglichkeit, mit Dingen wie unterschiedlichen Fermentierungszeiten und neuen Kaffeesorten zu experimentieren, sie selbst zu rösten und gemeinsam mit unseren Baristas zu verkosten. Somit wissen wir als Kaffeebauern, wie Specialty Coffee schmecken muss und auf was sich unsere Kunden in Kanada und Europa freuen dürfen!
Besonders gern probieren wir gerade Honey Processing bzw. Natural Processed Kaffees aus – eine Art von Semi Dry Processing. Honeys werden zwischen 5 und 9 Uhr morgens geerntet (um dem spätestens ab 11 Uhr einsetzenden Regen während der Erntezeit zu entgehen) und sofort geschält, wobei die Mucilage an der Kaffeebohne kleben bleibt. Dieses kleine klebrige Häutchen sorgt für etwas Feuchtigkeit, karamellisiert und ergibt süßliche Aromen, wenn die Bohnen anschließend in der Morgensonne trocknen dürfen. Durch regelmäßiges Wenden etwa alle 20 Minuten verhindert man eine Überfermentierung. Je nachdem, wie viel Mucilage vorhanden ist – hier gibt es Unterschiede je nach Kaffeesorte und Reifegrad – erhält man Yellow, Red oder Black Honey Coffee.

Was wir ebenfalls gern tun: Unseren Nachbarn Bäume zum Aufforsten schenken und ihnen Tipps für die Ernte und Verarbeitung geben, wie sie damit selbst besseren Kaffee produzieren können. Und falls uns z.B. wegen hoher Exportquoten selbst mal der Kaffee für die Rösterei ausgehen sollte, kaufen wir ihren Kaffee zu bzw. probieren aus, wie wir ihn vermarkten können.
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Über den Autor: Helmut ist der Gründer von Soul Seed Coffee und hat sich dem nachhaltigen Kaffeeanbau verschrieben. Zusammen mit seiner Frau Inka betreibt er eine Kaffeefarm, eine Kaffeerösterei und das Ikaro Café in der kolumbianischen Sierra Nevada de Santa Marta.
Heidi ist die "Kaffee-Doktorin" bei Happy Coffee: Zusammen mit Christian hat die promovierte Betriebswirtin das Unternehmen 2008 gegründet und schreibt ausführlich über alle Themen aus der Kaffee-Szene. Egal ob Kaffee-Zubereitung, Kaffeezubehör oder Kaffeespezialitäten - Heidi recherchiert, probiert, fotografiert und berichtet ausführlich für unsere Leserschaft. Privat trinkt sie am liebsten handgefilterten Kaffee zu einem gesunden Frühstück.