Flat White: Das bedeutet übersetzt “Flacher Weißer” und meint eine Kaffeespezialität, die sich seit Kurzem besonderer Beliebtheit erfreut. Eigentlich gibt es sie schon seit den 80ern in Australien und Neuseeland, wo man sich erbittert streitet, wer den leckeren Drink aus Espresso und Milchschaum nun erfunden hat.
Mittlerweile ist die “Flat White Welle” auch nach Europa geschwappt und in jedem Trend-Café, das etwas auf sich hält, steht der Flat White auf der Karte. Aber was ist daran eigentlich so besonders? Schmeckt der Flat White wirklich anders, oder ist es am Ende dasselbe wie ein Cappuccino mit neuem Namen? Wir gehen dem In-Kaffee an dieser Stelle auf den Grund.
1. Same same but different: Flat White und seine Verwandten
Pur, mit Milch oder ohne, selbst mit Schuss: Kaffeespezialitäten gibt es wie Sand am Meer. Gerade unter den Kaffeespezialitäten mit Milch tritt oftmals etwas Verwirrung auf, wie sich das eine vom anderen unterscheidet. Da kann es schon mal passieren, dass der Latte Macchiato mit dem Cappuccino und der wiederum mit einem Flat White verwechselt wird, und nicht das in der Tasse landet, was man sich eigentlich vorgestellt hat.
1.1 Flat White versus Latte Macchiato & Milchkaffee: Ganz anders
Um Licht ins Dickicht zu bringen, wollen wir zunächst Kaffeespezialitäten ausschließen, die wirklich gar nichts mit Flat White zu tun haben – weil sie entweder zu festen Milchschaum haben oder keinen Espresso enthalten. Dazu zählt Latte Macchiato: Er besteht aus drei sichtbaren Schichten aus je einem Drittel aus Milch, Espresso und sehr festem Milchschaum, der das hohe Trinkglas mit einer großen Haube abschießt.
Und auch Milchkaffee kann kaum mit dem Flat White verwechselt werden, denn das große Getränk in den typischen Schalen besteht zu gleichen Teilen aus Filterkaffee und Milch – Milchschaum gehört nicht mal dazu.
1.2 Flat White versus Cappuccino: Nur auf den ersten Blick ähnlich
Am häufigsten wird der Flat White als eine bestimmte Art Cappuccino missverstanden. Doch stimmt das? Tatsächlich sind sich die Rezepte vom Flat White und Cappuccino zum Verwechseln ähnlich: Beide kommen in etwa gleich große Tassen, bestehen zu einem Drittel aus Espresso und zwei Dritteln weniger festen Milchschaum, und werden in Cafés oftmals mit Latte Art kunstvoll verziert. Dennoch gibt es wesentliche Unterschiede in den Zutaten und der Art der Zubereitung.
2. Was macht den Flat White speziell?
Gerade Flat White Fans haben völlig zu Recht ganz bestimmte Erwartungen an ihr Lieblingsgetränk: Und zwar die perfekte Kombination aus Espresso und ultrafeinem Milchschaum.
2.1 Im Flat White steckt besonders kräftiger Espresso
Echte Kaffeenerds verwenden für ihren Flat White einen Espresso Ristretto: Dieser “kurze” und konzentriertere Espresso wird mit derselben Menge Kaffeepulver wie ein normaler Espresso zubereitet, aber am Ende ist etwa nur halb so viel (ca. 15 Milliliter statt 25 bis 30 Milliliter) in der Tasse. Das gelingt beispielsweise, indem genauso viel Brühwasser verwendet, der Mahlgrad der Bohnen aber viel feiner einstellt wird, damit das Wasser in derselben Zeit viel schwieriger durch das Kaffeepulver fließen kann. Manche Barista experimentieren auch mit einer kürzeren Durchlaufzeit oder weniger Brühwasser, um einen Ristretto herzustellen. Geschmacklich ist er viel intensiver, kräftiger und etwas dicker als ein normaler Espresso.
Weil ein Ristretto so klein ist, bekommt man ihn meistens “doppelt” serviert. Auch in einem guten Flat White steckt ein doppelter Espresso Ristretto drin: Er ist also mengenmäßig genauso groß wie ein normaler Espresso, aber bringt den doppelten Geschmack! Damit kann er sich bei jedem Schluck vorzüglich gegen den flüssigen Micro-Milchschaum durchsetzen. Das bekommt ein klassischer Espresso nicht hin, und ein normaler Espresso Doppio würde das Mischverhältnis im Flat White stören.
2.2 Ein Flat White hat den allerfeinsten Milchschaum
Geübte Augen erkennen anhand des Milchschaums schon auf den ersten Blick, ob sie einen Cappuccino oder einen Flat White vorgesetzt bekommen. Cappuccino besteht aus mittelfestem Milchschaum, der zu einem Teil halbflüssig ist und zum anderen Teil fest. So fest, dass sich oben auf der Tasse eine Milchschaumhaube bildet.
Im Flat White hingegen ist der Milchschaum feinporig und fast flüssig, so dass er sich bei jedem Schluck mit dem Espresso verbindet und in den Mund fließt. Außerdem gibt es deswegen beim “Flachen Weißen” überhaupt keine Milchschaumhaube! Das macht ihn perfekt für Menschen wie mich, die bauschaum-ähnlichen Milchschaum gar nicht mögen.
Oft wird der nahezu flüssige Milchschaum im Flat White als “Micro-Foam” bezeichnet. Bei der Herstellung versetzt man die Milch mit weniger Luft, als es beim normalen Milchschaum üblich ist, und muss auf eine konstante Temperatur achten. Im Ergebnis sollte der Micro Milk Foam nur kleine feine Luftbläschen enthalten und eine sehr cremige Textur besitzen. Eine echte Kunst, die nur wenige Barista gut hinbekommen!
2.3 Ein Flat White zelebriert Latte Art
Natürlich ist heute auch fast jeder Cappuccino kunstvoll mit Farnen, Herzen, Tulpen, Schwänen oder anderen Mustern im Milchschaum verziert. Aber wirklich gut gelingt diese Kunst erst mit dem typischen Micro-Foam, wie man ihn eben im Flat White verwendet. Der ist so leicht, dass er beim Eingießen den Espresso am Boden der Tasse durchbricht und den Barista besonders feine Muster “malen” lässt. So entstehen Maserungen im Milchschaum, die man in alle möglichen Motive verwandeln kann – und fast nicht trinken will, weil sie so hübsch aussehen.
Latte Art entstand übrigens im Zuge der Third Wave Bewegung, als Kaffeezubereitung mehr und mehr zu einem professionellen Handwerk wurde. Das machte sich nicht nur in der Qualität des Kaffees, sondern auch in seiner Ästhetik bemerkbar: Wahre Kaffeekünstler goßen feinporigen Milchschaum schräg in die Tasse und veränderten dabei schwenkend die Eingusshöhe, um echte Kaffeegemälde zu zaubern. Viele Café-Gäste wollten diese Kunst mit einem Foto für die Ewigkeit festhalten. Und so war es nur eine Frage der Zeit, bis der Flat White dank Instagram und Co. von Down Under aus die weite Welt eroberte.
3. Herkunft und Hype: Wie der Flat White entstand
Der Flat White Trend ist schon über 30 Jahre alt und doch der neuste Schrei. Seit einiger Zeit verbreitet er sich in den europäischen Großstädten und steht selbst bei Ketten wie Starbucks fest auf der Karte. Dabei überzeugt er nicht nur optisch, sondern auch geschmacklich. Nur bei seiner Herkunft scheiden sich etwas die Geister.
3.1 Australien oder Neuseeland: Wer hat den Flat White erfunden?
Obwohl der Flat White nicht aus Europa stammt, liegen seine Ursprünge streng genommen genau hier. Denn mit der großen Auswanderungswelle gen Australien brachten die Briten ihre Tee-Kultur mit in die neue unbekannte Welt.
Später taten es ihnen die Italiener gleich, die nach dem zweiten Weltkrieg nach Down Under auswanderten: Sie verließen ihre Heimat mit der typischen Kaffee-Kultur im Gepäck. So eröffneten viele Italienische Cafés in australischen Großstädten wie Sydney oder Melbourne, und bald gehörte eine gute Espresso-Maschine quasi zur Grundausstattung. Und auch im benachbarten Neuseeland hielt die europäische Kaffeekultur Einzug.
Down Under gab es die ersten Erwähnungen vom beliebten Flat White. Doch bei der Frage, wer ihn nun erfunden hat, sind sich die Australier und Neuseeländer bis heute uneinig.
In Neuseeland ist ein Flat White seit den 1980ern eine Art “Failed Cappuccino”. Das passt zur Tatsache, dass britische Einwanderer ihre Methoden der Teezubereitung auch bei der Zubereitung vom Cappuccino einsetzten und Espresso derartig mit Milchschaum aufgossen, dass keine typische Milchschaum-Haube entstand. Einer der Gründe soll gewesen sein, dass fettarme und damit schlecht schäumende Milch verwendet wurde, und der Barista seinen Kunden“Sorry, it’s a flat white” gesagt haben soll.
Allerdings behaupten Kaffeeexperten aus Sydney in Australien, schon in den 60ern die ersten “White coffees – flat” angeboten zu haben. Und bei Problemen mit den Milchkühen, deren Milch in manchen Jahren einfach weniger protein- und fettreich und somit weniger schäumend war, hätten sie “flat white only” auf ihre Tafeln in den Cafés geschrieben.
3.2 Wie der Flat White Hype nach Europa schwappte
Wer auch immer den Flat White nun erfand: Spannend ist, dass die Kaffeespezialität mit der Third Wave Bewegung nach Europa kam. Also auf den Kontinent, wo die australische Kaffeekultur eigentlich ihren Ursprung hat. Zum Glück, können wir da nur sagen! Zuerst wurde der Flat White um das Jahr 2005 in hippen Cafés in England gesichtet, bevor er 2010 mit der Firma Starbucks ein noch breiteres Publikum in allen Großstädten der Welt fand. Heute gehört es in den besten Cafés zum guten Ton, sich der komplexen Zubereitung eines Flat White zu widmen.
Insgesamt erinnert der Hype an den Trubel, der um alle Kaffeespezialitäten gemacht wurde. Erst war es der Cappuccino, den jeder haben wollte und später der Latte Macchiato, der von italienischen Cafés in die heimischen Küchen Einzug hielt. Wer kunstvoll die verschieden farbigen Schichten im Latte Macchiato drapieren konnte, dem wurde mit viel Oooh und Aaah applaudiert. Heute ist das keine hohe Kunst mehr und kommt in vielen Haushalten per Knopfdruck aus dem Kaffeevollautomat.
Nun ist es eben der Flat White, nach dem wir uns verzehren. Er ist allerdings schwerer zu zaubern, weil die beiden Grundzutaten – allen voran der Micro-Milchschaum, aber auch der doppelte Espresso Ristretto – etwas anders herzustellen sind. Wer das schafft und dann noch eine schöne Latte Art hinbekommt, wird mit Lob und Begeisterung überschüttet. Ein Flat White ist eben wirklich ausgesprochen hohe Handwerkskunst!
3.3 Unser erster Flat White und wie er geschmeckt hat
Ich teste für Happy Coffee zwar Methoden zur Zubereitung von Milchschaum und diverse Milchaufschäumer, aber ehrlich gesagt: Fester Milchschaum ist eigentlich so gar nicht meins, genauso wenig wie Milch pur zu trinken. Einen guten Cappuccino fand ich immer lecker, aber bei bauschaum-artigen und nach Milch mit Luft schmeckenden Hauben bin ich einfach raus. Darum war mein erster Flat White wirklich eine Offenbarung.
Ich trank ihn bei unserer ersten Reise nach Australien und schon als er serviert wurde, fielen die feinen Unterschiede auf. Es gab keine Milchschaumhaube, stattdessen viele feine Bubbles auf der Tasse, die fast wie Creme aussahen. Darauf war das typische Farn gemalt, mit sehr soften Farbverläufen, weil sich der Micro-Foam schon beim Eingießen mit dem Espresso verbindet.
Beim ersten Schluck war ich dann völlig überzeugt. Zusammen mit dem intensiven, aber überhaupt nicht bitteren Espresso floß dieser superfeine Milchschaum mit in den Mund, in genau dem richtigen Verhältnis. Vom Mundgefühl her würde ich einen Flat White als samtig beschreiben, und von der ersten Tasse an war ich begeistert.
Dazu muss man allerdings sagen, dass nicht jeder angebotene Flat White auch ein guter Flat White sein muss. Ich hatte mit meiner ersten Tasse Glück, genoss danach woanders aber auch misslungenere Versuche – weil der Barista es mit dem Micro-Foam nicht hinbekam, etwas (Oh Schreck!) Kakao drüber streute oder normalen Espresso nahm, der zu läppisch und irgendwie sauer war.
Die Zubereitung scheint also wirklich alles andere als easy zu sein. Trotzdem bestelle ich in jedem Café einen Flat White, wenn er auf der Karte steht. Manchmal muss man eben ein paar Frösche küssen, um ab und an einen Prinzen zu treffen.
4. Flat White selber machen: Geht das?
Ich habe höchsten Respekt vor der Zubereitung eines guten Flat White und mich bisher zu Hause nicht selbst herangewagt. Das weniger am fehlenden Equipment als an der Tatsache, dass ich gern in gute Cafés gehe, die mir meinen liebsten Kaffeedrink kredenzen. Wer es ausprobieren will, kann das z.B. auf einem Kaffeeseminar lernen.
Zuhause brauchst du für einen Flat White mindestens diese Dinge:
- Siebträgermaschine mit Dampfdüse (nur sie hat genug Druck, um einen guten Espresso herzustellen und die Düse, um gleichzeitig perfekten Milchschaum zu ziehen)
- Milchkännchen aus Metall (praktisch, hoch genug, und temperaturbeständig)
- Qualitäts-Kaffee wie unseren Happy Coffee (wichtig: immer die Espresso-Röstung und keine Filterkaffeeröstung kaufen, denn die wäre zu mild)
- Milch mit ausreichend hohem Fettanteil (z.B. Vollmilch; bei pflanzlichem Milchersatz schäumt z.B. Barista Hafermilch von Oatly am besten)
- eine Portion Fingerspitzengefühl
Wie die Zubereitung vom Flat White nun genau funktioniert, lässt sich im folgenden Video sehr schön nachvollziehen. Kurz zusammengefasst stellst du erst deinen Milchschaum her, wobei zu starkes Auf- und Abschwenken des Milchkännchens vermieden werden sollte, um nicht zu viel Luft zu ziehen. Am Ende klopfen die Profis das Milchkännchen kurz auf die Arbeitsfläche, um eventuelle größere Luftbläschen zu entfernen. Dann wird ein doppelter Espresso (Ristretto) hergestellt und mit dem Micro-Foam möglichst kunstvoll aufgegossen. Fertig!
Du fragst dich, ob es Flat White auch auf Knopfdruck geben kann? Jein. Latte Art ist mit einem Kaffeevollautomat natürlich nicht möglich. Es gibt mittlerweile aber Geräte, die den passenden Milchschaum für jede gewünschte Kaffeespezialität versprechen – selbst Flat White. Welche das sind, kannst du in unserer Übersicht der Kaffeevollautomat Testsieger sehen.
Damit wird der Flat White vielleicht nicht ganz so perfekt wie beim Barista deines Vertrauens und auch etwas anders schmecken – aber Einzug in die heimischen Küchen erlebt er allemal. Wir genießen ihn allerdings nach wie vor am liebsten im Café und applaudieren den wahren Flat White Künstlern.
Heidi ist die "Kaffee-Doktorin" bei Happy Coffee: Zusammen mit Christian hat die promovierte Betriebswirtin das Unternehmen 2008 gegründet und schreibt ausführlich über alle Themen aus der Kaffee-Szene. Egal ob Kaffee-Zubereitung, Kaffeezubehör oder Kaffeespezialitäten - Heidi recherchiert, probiert, fotografiert und berichtet ausführlich für unsere Leserschaft. Privat trinkt sie am liebsten handgefilterten Kaffee zu einem gesunden Frühstück.