Liebe Kaffeeliebhaber,
vielleicht habt ihr es bereits in eurem Lieblings-Café bemerkt oder in den Nachrichten gelesen – die Kaffeepreise erreichen neue Höhen. Als Kaffeehändler und- röster stehen wir vor der Herausforderung, diese Entwicklung zu erklären und gleichzeitig unser Versprechen für Qualität zu halten. Mit diesem Beitrag möchten wir daher einmal ausholen und die aktuelle Situation anhand historischer Zusammenhänge darstellen.
Wie sich der Kaffeepreis zusammensetzt
Kaffee ist ein Rohstoff – oder wie die Finanzwelt sagt: eine „Commodity“. Das bedeutet, dass Kaffeebohnen als standardisiertes Gut anonym an Börsen (am sogenannten C-Markt der New Yorker Börse) gehandelt werden, ohne Rücksicht auf ihre Herkunftsgeschichte oder besondere Charakteristika. Ähnlich wie Gold, Weizen oder Öl verwandelt sich unser geliebter Kaffee in der Finanzwelt also in abstrakte Zahlen auf Bildschirmen, anonym und losgelöst von den Händen, die ihn angebaut haben.
Der Preis für diesen Rohkaffee wird im Wesentlichen durch zwei Faktoren bestimmt:
- Die allgemeine Stimmung an den Märkten (Investmentfonds, Leitzinsen, Währungsschwankungen)
- Das klassischen Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage
Und genau hier liegt der Haken: Bei Rohstoffen bzw. Commodities tendiert der Markt dazu, den Preis auf ein Minimum zu drücken – oft so, dass er gerade noch über den Produktionskosten liegt. Ein durch Wettbewerb befeuertes wirtschaftliches Naturgesetz, das die Kaffeeproduzenten seit Jahrzehnten in die Mangel nimmt.
Die historische Entwicklung der Kaffeepreise
Ein Blick auf die letzten 50 Jahre zeigt ein wiederkehrendes Muster: Etwa alle 10 Jahre erleben wir bei Rohkaffee einen dramatischen Preisanstieg, gefolgt von einer langen Phase niedriger Preise. Klingt nach einer Achterbahnfahrt? Das ist es auch – besonders für die Kaffeebauern.

In den letzten vier Jahren hat sich der Kaffeepreis allerdings aussergewöhnlich drastisch entwickelt: von 1,38 USD auf etwa 3,65 USD pro Pfund Rohkaffee – ein Zuwachs von über 100%! Doch ist das wirklich so außergewöhnlich?
Noch interessanter wird es, wenn wir die Inflation berücksichtigen. Ein Euro im Jahr 1977 hatte eine ganz andere Kaufkraft als heute. In „echten“ 2025er-Euros gerechnet, erreichte der Kaffeepreis 1977 nach einem Frost in Brasilien fast 12 EUR pro Pfund – also deutlich mehr als die heutigen Höchststände!
Auch die Entwicklung des Verbraucherindex (CPI) für Kaffee in den USA zeigt, dass Kaffee gemessen an Realeinkommen immer teurer geworden ist (siehe folgende Grafik).

Und was hatten, bzw. haben die Kaffeebauern davon?
Der inflationsbereinigte Kaffeepreis für die Bauern sinkt seit den 1970er Jahren kontinuierlich. Weil auch das Leben für die Produzenten immer teurer geworden ist (Produktionsmittel, Löhne, Land, usw.) und die Kaffeepreise nicht im gleichen Verhältnis mitwuchsen, ging das reale Einkommen der Bauern lange Zeit stetig zurück.
Um diesen Zusammenhang besser greifbar zu machen, haben wir das inflationsbereinigte Realeinkommen der Bauern pro 20KG produziertem Kaffee (ca. eine Tagesproduktion) mit der Kaufkraft in Litern Benzin (grob) verglichen. Um nicht zusätzliche Währungsschwankungen berücksichtigen zu müssen, nutzen wir für die folgende Grafik US-Daten.

Diese Grafik zeigt die leider bittere Wahrheit: Während wir als Verbraucher stetig mehr für unseren Kaffee bezahlen, folgt das (inflationsbereinigte Real-)Einkommen der Kaffeebauern einer Berg- und Talfahrt.
Besonders aufschlussreich ist die Entwicklung seit den 1990er Jahren. Die Schere zwischen dem, was wir bezahlen, und dem, was an Kaufkraft bei den Erzeugern ankommt, wurde immer größer. In den frühen 2000er Jahren erlebten die Bauern sogar eine existenzielle Krise, während unsere Kaffeepreise gemütlich weiter kletterten.
Die Entwicklung seit 2020 zeigt zwar eine erfreuliche Parallelentwicklung – Reales Einkommen der Bauern steigt mit Konsumentenpreisen zusammen an – doch der historische Kontext mahnt zur Vorsicht. Was die Grafiken so eindrücklich zeigen:
Der Kaffeepreis, den wir bezahlen, und der Wert, der bei den Erzeugern ankommt, sind zwei grundlegend verschiedene Dinge.
Zeit für uns alle, genauer hinzuschauen, welche Bohnen in unserer Tasse landen – und wer wirklich davon profitiert.
Das ist der Grund für den aktuellen Preisanstieg
Was wir aktuell erleben, ist ein klassischer Angebotsschock. Seit etwa 4 bis 5 Jahren übersteigt die Nachfrage regelmäßig das Angebot – ein Defizit, das sich 2022/2023 recht stark aufgebaut aufgebaut hat und seitdem den Markt besonders aufwühlt.
In Zahlen: Das Defizit betrug – 7.4 Mio Sack Kaffee als Nachfragemenge, die vom Angebot nicht bedient werden kann! Gründe hierfür sind u.a. der gestiegene Kaffeekonsum in China, aber auch schwierige Anbaubedingungen als Folge des Klimawandels.
Die ökonomische Folge des Nachfragedefizits waren entsprechend steigende Preise in den letzten Jahren.

Aber wie konnte es dazu kommen? Jahrzehntelang wurden Produzenten durch die bisherige Preisstrategie am Existenzminimum gehalten. Die Folgen sehen wir heute in den Kaffeeanbaugebieten: Junge Menschen verlassen die Familienbetriebe, Kaffeeplantagen werden aufgegeben oder für profitablere Pflanzen umgenutzt. Mit jedem Jahr, in dem Kaffeebauern nur überleben, aber sich nicht entfalten können, verschärft sich die Situation.
Es ist wie bei Espresso – herrscht zu viel Druck über zu lange Zeit, schmeckt plötzlich gar nichts mehr.
Was bedeutet das für uns und unseren Kaffee?
Als Kaffeeanbieter befinden wir uns aktuell in einer Zwickmühle. Einerseits wollen wir euch weiterhin hervorragenden Kaffee zu fairen Preisen anbieten. Andererseits wissen wir, dass höhere Preise endlich eine nachhaltige Entwicklung in den Anbaugebieten ermöglichen.
Die gute Nachricht ist aber: Der aktuelle Preisanstieg geht direkt an die Produzenten! Kein Zwischenhändler, keine Börse streicht hier zusätzliche Margen ein. Was mehr bezahlt wird, kommt bei den Kaffeebauern an.
Die unbequeme Frage lautet: Werden die Preise wieder sinken, wenn der Rohkaffeepreis wieder fällt? Historisch betrachtet ist ein Rückgang wahrscheinlich. Doch vielleicht ist dies der Moment, um das Preismodell grundlegend zu überdenken. Wann und wie weit sich Preise wieder nach unten entwickeln, ist daher aktuell noch völlig unklar.
Die aktuelle Preisentwicklung macht Kaffeeanbau in den Anbauregionen wieder attraktiver (mehr Realeinkommen) und Prognosen wie diese gehen davon aus, dass 2024/2025 wieder ein deutlicher Überschuss an Kaffee in der Welt produziert wird (weniger Nachfrage als Angebot). Gemäß den Naturgesetzen am Finanzmarkt (Wettbewerb) wird das vermutlich auch die Preise für Rohkaffee wieder fallen lassen.
Die Hoffnung bleibt aber, dass sich der Preis für Rohkaffee nach den aktuellen Turbulenzen nicht wieder auf dem Niveau der letzten 25 Jahre einpendelt, sondern so, dass Kaffeeproduzenten tatsächlich wieder nachhaltig mehr Kaufkraft erhalten. Nur so können sich die Preise langfristig wieder stabilisieren.
Weltmarktpreis für Rohkaffe ist nur ein Faktor
Neben dem Börsenpreis für Rohkaffee beeinflussen weitere Faktoren den finalen Kaffeepreis pro KG für Konsumenten. Dazu gehören z.B.
- Qualitätsprämien für besondere Sorten, Anbauweisen oder Zertifizierungen
- Transportkosten – von der Farm bis nach Europa
- Währungsschwankungen zwischen Dollar und Euro
- Zölle und Steuern (MwSt., Lohnsteuer, und natürlich die berühmte Kaffeesteuer in Deutschland!)
- Verarbeitungs- und Versandkosten für Röstung, Verpackung und Versand
Wir selbst profitieren übrigens gar nicht von der Preiserhöhung!
Ganz im Gegenteil: Mit jeder Preiserhöhung verdienen wir weniger, da wir auch immer einen Teil der Zusatzkosten selbst abfangen. Unser Ziel ist es, wettbewerbsfähig zu bleiben. Denn jede Preiserhöhung führt auch jedes Mal zum Verlust einiger Kunden.
Es ist auch eine Chance für eine nachhaltige Veränderung
Für uns ist die aktuelle Situation Herausforderung und Chance zugleich. Wir sehen die Veränderungen auf den Farmen unserer Partner in den Anbauländern:
- In Investitionen in bessere Ausrüstung,
- in Weiterbildung,
- in Lebensqualität.

Was wäre, wenn wir uns alle – Röster, Cafés und Konsumenten – an höhere, aber fairere Preise gewöhnen könnten? Wenn wir bereit wären, den wahren Wert einer Tasse Kaffee anzuerkennen?
Vielleicht ist der aktuelle Preisanstieg nicht nur eine wirtschaftliche Notwendigkeit, sondern auch ein Weckruf für die gesamte Branche. Eine Erinnerung daran, dass guter Kaffee seinen Preis hat – und haben sollte.
Was bedeutet das für euch Kaffeefans?
Ja, euer Lieblingskaffee wird etwas teurer. Aber mit jedem Euro, den ihr mehr bezahlt, tragt ihr dazu bei, die Zukunft des Kaffees zu sichern. Ihr unterstützt Familien, die seit Generationen ihr Leben dem Anbau dieser wunderbaren Bohnen widmen.
Für uns ist es wichtig immer wichtig, transparent zu sein.
Die Preiserhöhung ist keine Marketingstrategie oder ein Versuch, unsere Margen zu verbessern. Sie ist eine direkte Folge der globalen Marktentwicklung – und vielleicht auch eine Chance, das Kaffeebusiness ein Stück gerechter zu gestalten.
In diesem Sinne danken wir von Happy Coffee euch für euer Verständnis und versprechen, weiterhin alles zu tun, um euch den besten Kaffee in die Tasse zu bringen – zu einem Preis, der sowohl für euch, uns, als auch für die Produzenten fair ist.
Christian ist Kaffeeblogger seit 2008, leiderschaftlicher Home-Barista und Gründer und Geschäftsführer der Happy Coffee GmbH. Seit 2015 liefert er jeden Monat über den Online-Shop frisch gerösteten Kaffee aus fairem Direkthandel an tausende Kunden. Sein tiefgreifendes Wissen über Kaffee teilt er regelmäßig hier im Blog.